Hühner schlachten: Wie wir unsere Deutsche Zwerg Wyandotte Lisbeth zu spät ins Jenseits befördert haben.
Das Thema Hühner und Tod wird jeden Hühnerhalter beschäftigen müssen. Wenn man die Hühner als Haustiere hält und nicht als Zuchttiere ergibt sich die Frage vielleicht eher später als früher, aber irgendwann einmal ist es soweit. Hält man sich die Hühner eher als Nutztiere dann ist von Anfang das Thema präsent: Was mache ich mit den Hähnen? Was mache ich wenn ein Huhn keine Eier mehr legt? Was mache ich mit den „überschüssigen“ Hühnern nach dem Schlupf?
Wir sind aus der Stadt aufs Land gezogen. Anfangs hatte ich sogar Probleme damit Nacktschnecken zu ermorden… Jetzt kann ich mir sogar vorstellen mein eigenes Huhn zu schlachten. Was ist passiert?
Ein „naturverbundeneres Leben“ ist passiert. Ich war schon immer sehr tierlieb, bin in der Nähe der Isarauen aufgewachsen und habe meine Kindheit zum aller größten Teil draußen verbracht. Damals schon war ich immer lieber draußen. Wir haben Häuschenschnecken gesammelt, ihnen Sandburgen gebaut und Mamas Salat als Futter kredenzt. Eigene Tiere waren schon immer ein Traum von mir.
Mit dem Landleben kamen die ersten vier Hühner. So genial.
Von Anfang an war unsere Lisbeth, eine hübsche schwarze grün schimmernde Deutsche Zwerg-Wyandotte unser Sorgenkind. Gleich zwei Wochen nach dem Einzug bei uns hatte sie ein fürchterliches Eulenauge. Die Nase war einseitig total dicht, das Huhn hat „krank“ gerochen (nicht nach Heu und Gras und Federn) und das Auge hat gesifft. Das war ein schleichender Prozess und wir, mit wenig Hühnererfahrung, haben viel zu spät gehandelt. Mit viel Mühe und vor allem Unterstützung des Züchters bei dem wir unsere Hühner gekauft hatten, war Lisbeth nach ungefähr 2 Monaten, inklusive Quarantäne und Wiedereingewöhnung wieder gesund und munter.
Man hätte meinen können dass sie durch die ganzen Strapazen Menschen gegenüber misstrauisch und scheu wird – aber das Gegenteil war der Fall! Lisbeth war unser neugierigstes Huhn und kam immer sofort angerannt sobald man sich am Gehege hat blicken lassen. Beim Stall ausmisten war sie immer ganz nah mit dabei und hat fleißig kommentiert. Einfach total süß.
Aufällig war seit dem Zeitpunkt ihrer Genesung die Form ihrer Eier. In den ersten zwei Wochen bei uns hatte sie ganz normale Eier gelegt. Schön glatt und rund. Nach ihrer Krankheit waren die Eier unförmig in der Mitte verdickt. Da die Schale sonst normal war, also nicht zu dünn oder brüchig, war uns das erstmal egal.
Über den Winter hat Lisbeth dann einen Knubbel auf der Backe entwickelt. Kolloidales Silber und sorgfältige Beobachtung waren an der Tagesordnung. Der Knubbel ist nicht größer geworden und sie schien keine Schmerzen zu haben (wobei man das bei Hühner nicht sagen kann… die verbergen das so gut es geht, um nicht schwach zu wirken). Sie hat auch brav weiter Eier gelegt und sich auch sonst komplett normal verhalten.
Im Mai kam dann der Anfang vom Ende: Legenot.
Ich habe sie eines Tages dabei beobachtet wie sie ganz merkwürdig stacksig, fast wie ein Pinguin oder wie jemand der die Hosen voll hat, durch das Gehege marschiert ist, immer wieder stehen blieb, den Rücken gekrümmt hat und den Hintern Richtung Boden gedrückt. Mir war relativ bald klar, dass sie Probleme mit der Eiablage hat: Legenot. Gut wird das im Buch „Hühner halten: artgerecht und natürlich“ auf Seite 56 beschrieben.
Wir haben sofort bei einem (normalen) Tierarzt angerufen. Ich habe nicht schlecht gestaunt als mir mitgeteilt wurde, dass ein normaler Tierarzt keine Hühner behandelt, sondern dass ich mich an einen Tierarzt für Großvieh wenden muss… (ja…. unsere Hühner sind RIESIG… größer als ein Hund…) Kopfschüttelnd haben wir unseren Nachbarn der Milchkühe hat, gefragt und uns dann sofort mit Huhn in der Katzentransportbox auf den Weg gemacht. Die Tierärztin war geldinde gesagt „erstaunt“ aber dann sehr einfühlsam (v.a. mit den Menschen).
Sie hat mit dann mit Unterstützung von ihrem Mann das Ei dank Gleitmittel und beherzten Zugreifen und Massieren herausbugsiert. Die arme Lisbeth hat das alles sehr brav mitgemacht und sich sehr kooperativ verhalten. Endlich wieder zu Hause auf der Wiese gab es auch lautes Gegacker und befreites Geflatter. Wir waren erstmal beruhigt.
Nach zwei Tagen wieder das gleiche Spiel. Lisbeth stackst und krümmt den Rücken. Wir haben einige Stunden vergehen lassen und gehofft dass sie es diesmal alleine schafft. Vergebens. Wieder ab in die Transportbox und zum Tierarzt. Diesmal habe ich sehr gut aufgepasst wie die Tierärztin das Ei herausholt. In einer Kombination aus Gleitmittel, Finger in der Kloake und Ei außen am Bauch entlang nach draußen schieben, kam das Ei heraus. Lisbeth hat sich auch diesmal wieder vorblidlich kooperativ verhalten und erstaunlich ruhig gehalten.
Nach zwei Tagen: das gleiche Schauspiel wieder. Zum Verzweifeln. Diesmal haben wir es erst alleine versucht. Das Ei war auch schon deutlich sichtbar an der Kloake, also so gut wie draußen. Der letzte Flutsch hat aber noch gefehlt… wir haben es nicht geschafft. Also wieder zur Tierärztin… Uns war jetzt klar, dass es so nicht weiter gehen kann. Auch wenn Lisbeth nachdem das Ei draußen war, völlig normal und gesund wirkte, irgendwas war ganz verkehrt und sobald das nächste Ei anstand, ging die Quälerei wieder von vorne los.
Am nächsten Tag, natürlich ein Sonntag, war es soweit. Wieder Legenot. Nach zwei Stunden Heulen und Zähne knirschen haben wir uns tränenreich entschlossen Lisbeth zu schlachten und haben unseren Metzger angerufen. Der hatte Gott sei Dank spontan kurz Zeit… Wir wussten gar nicht wie uns geschah – und Lisbeth auch nicht. Innerhalb von einer Minuten war das Huhn betäubt und dann mittels Kehlschnitt geschlachtet. Fertig. Aus die Maus. Der Metzger hat sich verabschiedet.
Und ich war über mich selbst überrascht. Ab dem Zeitpunkt an dem die Entscheidung „Lisbeth schlachten“ gefallen war, war ich ganz ruhig. Ich konnte sie einfangen und festhalten während der Metzger seines Amtes gewaltet hat. Sobald das Zucken vorbei war, lag da auch nicht mehr unsere Lisbeth, sondern ein totes Huhn.
Dank des hervorragenden Buches „Geflügel und Kaninchen selbst schlachten“ von Wilhelm Bauer haben wir, ohne jegliche Erfahrung(!), es geschafft, das Huhn zu rupfen, auszunehmen und zu zerteilen. Und das alles ohne fremde Hilfe!
Am Ende des Tages haben wir zwar ein oder zwei Schnäppse gebraucht, aber ja… Eine ganz entscheidende Erfahrung für die ich mich bei Lisbeth nur bedanken kann. Mir ist an dem Tag klar geworden was es bedeutet, Verantwortung für ein Tier zu übernehmen und Entscheidungen zu fällen. Ich habe über mich gelernt, dass ich in solchen Situation rational und ruhig handeln kann. Und dass der Tod zum Leben gehört. Anfangs wollten wir das Fleisch an unsere Katze verfüttern. Irgendwie fühlte sich das falsch an und für uns war klar, wir ehren Lisbeth am meisten, wenn wir für uns ein Festmahl bereiten. Das haben wir auch gemacht. In Dankbarkeit.
Und zum Schluss – warum schreibe ich dass wir zu spät waren? Die arme hatte schon zwei Eier in ihrem Legedarm. Das müssen ganz furchtbare Schmerzen gewesen sein. Wir haben auch entdeckt dass sie eine Art Gewebeknubbel in der Gegend der Kloake hatte. Sehr wahrscheinlich hat das verhindert, dass die Eier herausgleiten konnten. Nächstes mal bei einer Legenot schauen wir uns das höchstens zwei mal an. Wenn das Huhn es dann nicht alleine schafft, ist die Entscheidung gefallen.